Herr F., ein Manager 40 J., der Tausende von Kilometern von seinem Wohnort entfernt auf Dienstreise ist, gerät in eine psychische Krise. Er stand vor einer Herausforderung mit lebenswichtigen Folgen. Geplante Geschäftstermine fortsetzen, mit der Gefahr einer weiteren psychischen Verschlechterung bis hin zum Suizid? Oder vorzeitig in psychiatrische Behandlung in seiner Heimatstadt zurückkehren, was ihn dann auf dem Weg zu einer besseren Karriere kosten würde?
Eine interessante Zeit erwartet die Psychiatrie. Die rasante Entwicklung der Technik bringt optimale Methoden für Diagnosestellung und Behandlung in der Psychiatrie. Die klassische Form der Patientenbefragung, in der Medizin auch als "Anamneseerhebung" genannt, sowie die psychotherapeutische und pharmakologische Behandlung, werden Teil der Psychiatrie bleiben, jedoch sind sie bereits im Wandel (z.B Pharmakogenetik) Das ultimative Ziel ist es, dem Kunden/Patienten so schnell wie möglich angemessene Unterstützung in einer sehr persönlichen Interaktion zu bieten. Die Erleichterung der Kommunikation per PC und Behandlung erfolgt zeitnah und reduziert zugleich die Behandlungskosten (D. Richards et al. 2018). Ebenso gibt es bereits dutzende von Programmen und Anwendungen, die helfen, das Auftreten von psychischen Störungen zu verhindern.
Während in anderen medizinischen Disziplinen die Datenerhebung objektiv ist (EKG, Labortests, Röntgenbilder usw.), sind die Daten in der Psychiatrie weitgehend subjektiv. Durch verschiedene Anwendungen, die auf Sensoren basieren, die psychophysischen und physiologischen Aktivitäten aufzeichnen, ob passive oder aktive Aufzeichnungen, werden echte Daten bezüglich eines Patienten gesammelt. Diese objektiven Daten in Kombination mit Informationen aus dem subjektiven Erleben des Klienten/Patienten helfen dem Psychiater enorm bei der Entscheidung über die geeignete therapeutische Methode. Diese Entwicklung der digitalen Technologie wird mittlerweile als Chance zur Suizidprävention gesehen. Die ersten Ergebnisse sind recht vielversprechend (Michelle Torok et. al 2020).
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Therapeutische Interventionen werden entweder im direkten Kontakt oder indirekt über digitale Plattformen angeboten. Dank dieser technologischen Entwicklung ist die räumliche Distanz zwischen dem Klienten und dem Psychiater nicht relevant. Der Zeitplan und die Dauer können auch sehr flexibel sein, sodass der Alltag des Klienten nicht beeinträchtigt wird. Ein weiterer Vorteil wird bei Menschen mit sozialer Phobie beobachtet. In der Regel fällt es solchen Personen im persönlichen Kontakt schwerer, Bedenken zu äußern. Dagegen sind sie im digitalen Kontakt offener und aktiver.
Dieser Trend der Digitalisierung in der Psychiatrie wird von Pharmaunternehmen schon lange wahrgenommen. Anstatt Hunderte Millionen Euro, teilweise sogar Milliarden Euro, für die Herstellung eines Medikaments auszugeben, wobei es keine Erfolgsgarantie gibt, versuchen sich die Pharmaunternehmen an die Trends anpassen, investieren verstärkt sowohl in Online-Plattformen als auch in die digitale Modifikation von Medikamenten. "Abilify McCite" ist das erste Produkt, welches seit Januar 2019 im Umlauf ist. Dieses Medikament (derzeit nur in den USA erhältlich), wird hauptsächlich bei Klienten in einem psychotischen Zustand oder mit einer bipolaren Störung verwendet. „Abilify McCite“ ist mit einer Elektrode ausgestattet, die im Zusammenspiel mit den Magensekreten Signale an den externen Sensor auf der Haut sendet, der dieses Signal wiederum an die Online-Anwendung weiterleitet. Das Fehlen einer regelmäßigen Aufzeichnung von Signalen ermöglicht es dem Psychiater, rechtzeitig über die Kooperation oder nicht die ordnungsgemäße Kooperation des Klienten informiert zu werden.
Wie in anderen digitalen Sphären können auch in der Psychiatrie alle über verschiedene Plattformen gewonnenen Daten in falsche Hände geraten und damit missbraucht werden. Obwohl es im Bereich der Cybersicherheit stetige Fortschritte gibt, sind die aufgezeichneten Daten nie 100% sicher. Die Gefahren gehen auch von unseriösen Online-Angeboten aus, die das Image der digitalen Behandlung trüben können. Eine grundlegende "Checkliste (PDF)" ermöglicht eine gewisse Disqualifikation.
Der Mangel an direktem Kontakt zum Patienten ist ein Hindernis, viele nonverbale Informationen zu erhalten (Mimik, unbewusste Bewegungen, Sitzposition). Therapieentscheidungen, ohne die Möglichkeit der Auswertung dieser Informationen zu treffen, ist in manchen Fällen mangelhaft. Zudem besteht die Gefahr, dass ein Teil der Individualität verloren geht, da immer dynamischere Entscheidungsprozesse auf eigens für die Diagnostik entwickelten Algorithmen (zB SKID II) basieren.
Ein weiteres Hindernis sind die Bürokratie. Derzeit werden therapeutische Eingriffe nur in einigen Ländern der Welt von den Krankenkassen finanziert, z.B. in Schweden, Finnland, England, Australien, teilweise in Deutschland.
Der Manager Herr F. braucht nach einigen Jahren keinen Psychiater mehr wegen der psychischen Krise, die ihn gepackt hat, zu kontaktieren. Das auf seinem Telefon installierte GPS hat vermehrte und unregelmäßige Bewegungen festgestellt. Sensoren in der Smartwatch haben auch einen veränderten Schlafrhythmus festgestellt, Herzfrequenz sowie Schweißrezeptoren sind aktiver. Das Telefonmikrofon hat eine minimale Änderung in der Sprache des Kunden festgestellt (Wortpausen, Tonfall). Aber dass all diese minimalen Veränderungen von Rezeptoren erfasst wurden, darüber ist sich der Betroffene nicht bewusst: Er bemerkte die die anstehende Verschlechterung seiner Psyche nicht, in seiner Stimmung bemerkte er ebenso nichts Ungewöhnliches, während andererseits der persönliche Psychiater bereits alarmiert ist, weil er digital informiert wurde. Der überraschende Anruf des Psychiaters teilt der Person F. die erhaltenen Informationen und die Maßnahmen mit, die er ergreifen sollte, um ihn so vor einer psychischen Verschlechterung zu bewahren.
Als erfolgreicher Manager stehen seiner Karriere keine psychischen Hindernisse im Weg mehr.
Das ist die Zukunft der Psychiatrie!!
Foto: © Niek.Verlaan/Pixabay
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