Die Gefahr der Digitalisierung in die Psychiatrie ist, dass die menschliche Individualität irgendwie verloren gehen könnte. Wie sieht mit therapeutischen Chatbots?
Eigentlich soll das Ziel der Digitalisierung sein, dass Klienten besseren und leichteren Zugang zum Therapeuten haben. Die Mental-Health-Apps und Programme sollten nur als Unterstützung dienen, z.B. psycho-physiologische Aktivitäten aufzeichnen, um objektiv beurteilbare Symptome als Therapeut zur Verfügung zu haben. Wünschenswert wäre auch die Möglichkeit der psychischen Unterstützung bis zum nächsten Termin beim Therapeuten. Zu erwarten ist aber auf jeden Fall die Verbesserung der Kommunikation zwischen Klient und Therapeut, wie z.B. bei der Online- Therapie. Was eine solche Entwicklung meiner Meinung nach nicht sein sollte, wäre, den Therapeuten zu ersetzen, wie die Tendenz mit therapeutischen Chatbots ist.
Mit Chatbots haben wir fast jeden Tag Kontakt. Wir kennen bereits Alexa, Siri, Bixby, Cortana.Auf dem Markt befindet bereits auch der erste therapeutische Chatbot „Woebot“. Entwickelt wurde es von psychologischen Mitarbeitern der Stanford University in Anlehnung an die kognitive Verhaltenstherapie. Interessant und gut ist, dass, sobald man beginnt, mit „Woebot“ zu diskutieren, den Hinweis bekommt, dass das Programm keinen Ersatz für Therapeuten als Person („in-person therapy“) darstellen soll. Es wird oft als therapeutischer Chat bezeichnet, wobei es u.a bei Angststörung, Depression und PTBS (posttraumatisches Belastungssyndrom) helfen kann. Vorliegende Studien diesbezüglich zeigen positive Effekte.
Dass „Woebot“ kein Ersatz für menschliche Therapie ist, aber doch so etwas wie eine Therapie darstellt, wird auch in einem Blog von der Gründerin Alison Darcy erwähnt. In diesem markenstrategisch gut gedachten Blog wird gleich am Anfang betont, wie desolat das mentale Gesundheitssystem sei. Die Therapeuten werden als Personen mit hoch qualifiziertem Schulabschlüsse bezeichnet, ohne die Tatsache zu erwähnen, dass Therapeuten vor allem „Menschen“ sind, die eine normale zwischenmenschliche Interaktionen ermöglichen. Dies ist etwas, was nie durch Computer-Programme ersetzt werden kann. Der Patient in der ersten Sitzung beim Psychotherapeuten wird nicht viel (wahrscheinlich kaum) auf die Qualifikation des Psychotherapeuten achten. Viel wichtiger ist dann, ob die „Chemie stimmt“, das heißt, ob es möglich ist, eine Vertrauensbasis zu schaffen, um dann im guten Umgang miteinander therapeutisch arbeiten zu können.
Die kognitive Verhaltenstherapie ist nicht nur dafür konzipiert , dem Patienten irgendwelche „Werkzeuge“ mitzugeben, sondern um sich ernsthaft um den Patient zu kümmern, ihm das Gefühl zu geben, gehört und verstanden zu werden.
In einem Zeitraum von 4 Wochen habe ich das oben beschriebene Programm „Woebot“ selbst ausprobiert. Anfangs wird erklärt, dass es kein Ersatz für die personelle Therapie ist. Man wird hauptsächlich über Gefühle ausgefragt, während einem 2-3 maligem Austausch von alltäglichen Sätzen, manchmal auch mit Humor verbunden, oder sogenannten Small-Talk-Soituationen.
Die Hilfe ist in Form von einer netten Empfehlung und Erklärung gehalten, wobei die Kommunikation sich manchmal doch recht schwierig gestaltet, da es keine Möglichkeit besteht, etwas zu schreiben, Man bekommt vorgefertigte Antworten oder Fragen, manchmal ohne Auswahlmöglichkeit so wie „Right?“, „Explain?“, “Oh no!“, „Aww …“, „I see… „, „whats that?“, also ohne dass man das Gespräch auf etwas anderes ablenken kann, oder „zugehört“ wird. Des weiteren stört es, wie blitzschnell die Antworten kommen. Wenn der Patient in einer Therapiestunde etwas erklärt (vgl. schreibt),benötigt der Therapeut danach eine kurze „Nachdenkzeit, stellt eventuell eine Frage, sich zu vergewissern, ob er alles richtig einordnen kann, womit der Patient ein Sicherheitsgefuhl gibt, dass er richtig verstanden wurde.„Woebot“ hat allerdings, vielleicht muss ich auch „leider“ sagen, immer und direkt eine Antwort oder Empfehlung.
Ein weiterer Mangel, auf den ich während meiner Selbsterfahrung gestoßen bin, sind manchmal irreführende Erklärungen. In dem Programm wird versucht, gewisse Verhaltensweisen zu erklären, als würde man mit einem Menschen persönlich sprechen. Es wird das Wort „wir“ benutzt („we human, we think, we feal“), gerade so, als ob man es mit einem Menschen zu tun hätte. Aber nach wie vor ist es ein Computerprogramm.
Die positiven Anteile sind u.a. dass Items zur Verfügung gestellt werden, in dem man jederzeit von Thema zu Thema springen kann, z.B. von „Zielsetzung“ auf „Macht der Sprache“ oder „praktische Empfehlung“, oder andere Themen, die am Rande des Gesprächs standen. Das Programm erkennt seine Grenzen und fragt danach, ob man lieber über bestimmte Themen mit einem „echten“ (realen) Therapeuten sprechen möchte.
„Woebot“ ist meiner Meinung nach eher wie ein Coaching-Programm konzipiert, mit tollen Ratschlägen und Erklärungen. Auch die Modifikationsversuche der bestimmten Denkprozesse, die durch emotionale Beteiligung beeinträchtigt sind, finde ich gut entwickelt. Zu dieser Hilfe wäre aber auch eine Coach nach kurzer Ausbildung in der Lage. Von einem therapeutischen Prozess ist das Programm aber weit entfernt, und ich glaube nicht, dass die Integration anderer Items dabei etwas ändern könnte.
Ich bleibe bei meiner Einstellung, eine menschliche Interaktion wird nie durch Technologie ersetzt. Als einen „Partner“, bei dem man immer wieder Ratschläge einholen kann, finde ich „Woebot“ ok.
Mit Sicherheit können auch andere Chatbots das erreichen. Man sollte aber nicht mit zu hohen Erwartungen an das Programm starten.
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