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Kann Online Therapie bei Depression helfen?

Liron Pepshi • Juni 03, 2020
Seit Ende Mai 2020 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) des Online-Antragsportal für Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGa) bereitgestellt. Es wird erwartet, dass von den Unternehmen, die ihre Digitale Gesundheitsanwendung beantragen werden, viele aus dem Bereich E-Mental-Health sein werden. Innerhalb von 12 Monaten müssen demnach die DiGa- Entwickler, falls nicht vorher schon geschehen, den wissenschaftlichen Nachweis über positive Versorgungseffekte erbringen. Nicht jede Online-Therapie gehört zu den erstattungsfähigen DiGa. Hiervon sind z.B. Apps oder Plattformen ausgeschlossen, die rein zur Koordination und Durchführung von Video-/Telefon-/Chatgesprächen mit einem Psychotherapeuten dienen, wie beispielsweise bei einer Depression. Apps oder Plattformen, die neben den oben genannten Funktionen auch Testungen, Informationen im Sinne von Psychoedukation, emotionale Tagebücher und Entspannungsprogramme beinhalten, können dagegen als eine DiGa betrachtet und beantragt werden. Unabhängig von dem Zulassungsverfahren, stellen sich viele Betroffene die Frage, ob die Online- Therapie hilft, wie z. B. Bei einer Depression?


Kann Online Therapie bei Depression wirklich helfen?

Die Depression ist eine der häufigsten psychischen Erkrankungen mit einer jährlichen Erkrankungsrate in Deutschland von 6% (↓) bei Menschen im Alter zwischen 18 - 79 Jahren. Den meisten der Betroffenen ist nicht bewusst, dass die unter einer behandlungsbedürftigen Depression leiden. Das erklärt, warum die Personen, die zum ersten Mal psychiatrische Hilfe suchen, sehr schwer erkrankt sind, da sie seit längerer Zeit unter die Erkrankung leiden und daher einen hohen Leidensdruck verspüren. Dies ist eine Phase, in der auch die Behandlung deutlicher schwieriger ist. Es sind Personen, die bereits seit mehreren Wochen oder sogar Monaten unter einer andauernden bedrückten Stimmung leiden. Sie spüren kaum Energie, haben erhebliche Schlafstörungen, sind verzweifelt. Manchmal kommt es sogar zu Suizidgedanken.
 Im sozialen Aspekt zeigt sich die Erkrankung dadurch, dass die Betroffenen kaum noch Kontakt zur Familie oder zu Freunden pflegen, sie ziehen sich zurück, bereits bestätigte Termine werden abgesagt. Falls noch keine Krankschreibung besteht, wird das Niveau auf der Arbeit auf einen „Überlebungsmodus“ heruntergeschraubt. Nachts sind die Erkrankten oft stundenlang wach. Tagsüber haben Konzentrationsstörung, sind stimmungsmäßig deprimiert, haben kaum Antrieb und verspüren keine Lebensfreude mehr. 
Solche Phasen, die oft über mehr als 2-3 Wochen dauern, werden von Laien oft als „etwas normales“ betrachtet, obwohl nach den ICD- Kriterien ( = internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme), bereits eine leichte depressive Erkrankung fachgerecht gestellt werden kann. Es sind jedoch Fälle, bei denen eine schleichende Verschlechterung zu einer schweren depressiven Erkrankung führten, kann.


Ist eine Behandlung mit Antidepressiva ausreichend?

Unabhängig von der Ursache einer Depression, eine medikamentöse Behandlung bei mittelgradigen bis schweren depressiven Episoden ist fast Standardtherapie. Ziel der medikamentösen Therapie ist der Versuch, die gestörte Funktion der verschiedenen Botenstoffe, deren Ungleichgewicht als biologische Grundlage der Depression gelten, wiederherzustellen. Der wichtigste Botenstoff ist Serotonin, betroffen sind jedoch auch Noradrenalin und Dopamin. Die Behandlung in Deutschland erfolgt nach der sogenannten S3-Nationalen Versorgungs - Leitlinie (↓), die nach aktuellem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Diagnostik und Behandlung depressiver Erkrankungen erstellt wird.

Eine medikamentöse Behandlung ist alles andere als einfach. Es ist zu erwarten, dass der Patient mindestens 10 - 14 Tage eine Antidepressivum einnimmt, um beurteilen zu können, ob die angeordnete Medikation hilft. Ggf. wird dies dann weiter erhöht, um den psychischen Zustand des Patienten erst eine oder zwei Wochen später wieder erneut beurteilen zu können. Dieser Zeit erfordert viel Geduld seitens des Patienten. Hinzu kommt, dass der Patient manchmal neben der depressiven Symptomatik auch mit Nebenwirkungen des Medikamentes zu kämpfen hat. 
Mitunter ist es unumgänglich, ein zweites Medikament zu verordnen oder bei unzureichender Wirkung alles umstellen. Das bedeutet für den Patienten, dass wieder „alles von vorne beginnt“. 
Neben der Gabe von Psychopharmaka hat die Psychotherapie in verschieden Studien positive Wirkung bei der Behandlung einer Depression gezeigt. Allerdings ist die Wirkung einer Psychotherapie abhän gig von der Dauer und der Schwere der Erkrankungsepisode.

Hast du Depression oder vermutest du, dass jemand in deinem Umfeld daran leidet?


Hier bekommst du Hilfe bei Depression

Hilft die Online - Therapie bei einer Depression?


Um Zugang zu einer Psychotherapie zu erhalten, muss man erst verschiedene Hürden überwinden. Neben bürokratischen Aspekten (u. a. es bestehen lange Wartezeiten bis zum ersten Gesprächstermin) ist es meist so, dass der Termin in eine eher ungünstige Tageszeit gelegt wird. Der Patient nimmt ihn aber trotzdem wahr, da er einen hohen Leidensdruck verspürt und Hilfe erhalten möchte. Der Weg zur Praxis des Therapeuten ist der nächste Stressfaktor (hohes Verkehrsaufkommen, Bus oder Bahn verspäten sich, etc.), so dass der Patient, wenn er in der Praxis angekommen ist, erst einmal Zeit bräuchte, sich zu entspannen, bevor er sich auf die Psychotherapie einlassen kann. Für Personen, die im ländlichen Gebiet leben und kein eigenes Fahrzeug besitzen, ist es nahezu unmöglich, solche Hürden zu überwinden. 


Für jedes Problem wird bekanntermaßen versucht, eine Lösung zu finden. So werden mittlerweile verschiedene Online - Therapien angeboten. Fraglich hierbei ist allerdings, in wie weit eine Online - Therapie bei psychischen Erkrankungen, insbesondere bei der Depression, helfen kann. 

Bereits 2009 zeigten 12 Studien in einer Meta-Analyse eine signifikante Verbesserung der Symptome bei der Depression mithilfe von Online-Therapien. Auch weitere Studien über die letzten Jahre hinweg haben nur positive Ergebnisse bezüglich der Online - Therapie bei Depression gezeigt. Zuletzt war es sogar so, dass in einer Studie in Schweden vom Dezember 2019 auch eine Komorbidität (= Begleiterkrankung), z.B. eine Angststörung, keinen negativen Einfluss auf die Online-Therapie hatte. 

Die Ergebnisse in den o.g. Studien zeigten positive Ergebnisse von Patienten, die mittels Online- Therapie behandelt wurden, in Vergleich mit Testpersonen, die keine Online-Therapie erhalten hatten, der sogenannten „Kontroll-Gruppe“. Spannend war es hierbei zu wissen, in wie weit die Online - Therapie wirkt, im Vergleich zu Patienten, die „face-to-face“ , also direkte/klassische Psychotherapie bekommen. Die Antwort gab eine Studie aus 2013, die keine Unterschied beobachtet werden konnte, auch 3 Jahre nach der Behandlung. 

Seit der deutschlandweiten Inkraftsetzung des Digitalen Versorgungs-Gesetzes (DVG) am 19. Dezember 2019 ist die Online - Therapie nun auch gesetzlich geregelt.


Ach ja, es soll nicht vergessen werden, zu erwähnen, dass die o.g. Studien mit Patienten mit einer leichten bis mittelgradigen Depression durchgeführt wurden. Wie ganz am Anfang bereits gesagt, ist bei einer schweren Depression die Wirkung der Psychotherapie minimal. Da eine leichte bis mittelgradige Phase oft ein Vorbote für eine schwere Depression sein kann, wäre eine rechtzeitige psychotherapeutische Intervention in vielen Fällen leid-, zeit- und geldsparend. 


Eine Liste mit einigen Anbieter finden Sie auf die Seite E-Mental-Health-Plattformen

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