Bereits vor 136 Jahren beschrieb der junge Arzt Georges Gilles de la Tourette in einem Krankenhaus in Frankreich die Symptome eines Patienten, der erkrankt war. Diese stellten genau das dar, was heute als Tourette-Syndrom bekannt ist. Man geht davon aus,
dass jedes 160.
Kind im Alter von 6 bis 17 Jahre am Tourette-Syndrom leidet, wobei Jungen 3- 5 Mal häufiger betroffen sind als Mädchen. Als Hauptsymptome gelten wiederholte spontane motorische Bewegung (sogenannte Tics) und/oder vokale Äußerungen. Meist treten diese Symptome im Alter von 6 bis 8 Jahren auf. Es dauert aber manchmal Jahre, bis die Diagnose gestellt wird. Die jungen Patienten leiden häufig auch an anderen komorbiden psychischen Störungen (= Begleiterkrankung) wie z.B. ADHS, Angststörung, Depression und soziale Phobien, wodurch ihr soziales Leben und die Zukunftsperspektiven erheblich eingeschränkt werden. Eine rechtzeitige Behandlung könnte die Symptome der psychischen Störung in einem früheren Alter mindern.
Die Ursache, wodurch ein Tourette-Syndrom entsteht, ist bis heute nicht mit Sicherheit geklärt. Auch gibt es keine spezifischen Laborparameter, die die Diagnose bestätigen könnten. So kann die Diagnose nur rein nach dem Verhaltensbild gestellt werden. Es wird vermutet, dass die Produktion des Botenstoffs „Dopamin“ in einem bestimmten Bereich des Gehirns gestört ist. Dies ist auch der Fall bei Parkinson-Erkrankungungen und bei Psychosen. Das Ziel einer medikamentösen Behandlung ist die Wiederherstellung der Kontrolle über Dopamin.
Neben der medikamentösen Behandlung, die auch von Nebenwirkung begleitet werden kann, wird die Psychotherapie empfohlen. Es gibt grundsätzlich zwei Verfahren, die positive Effekte gezeigt haben:
1. HRT (Habit Reversal Training). Hierbei wird durch das Ausführen eines zuvor erlernten alternativen Verhaltens das Eintreten von Tics vermindert. Die Methodik besteht darin, dass sich die Patienten bewusst darüber werden, wenn das „Tic-Verhalten“ auftritt. Denn dies ist in der Regel unbewusst und wird vom Patienten nicht wahrgenommen. Wichtig hierbei ist es, die auslösenden und aufrechterhaltenen Faktoren zu identifizieren, um rechtzeitig zu versuchen, die Verhaltensmuster zu unterbrechen. Das erfolgt durch eine Protokollierung.
2. ERP (Exposure and Response Prevention), Die Patientin werden mit der Situation konfrontiert „exposure“ und gleichzeitig wird angestrebt, das automatisch auftretende Verhalten, welches oft die Reaktion auf einen Auslösers sein kann, umzustelllen „respons“, bzw. zu verhindern „prevention“ .
Wie auch in vielen anderen Bereichen, in denen eine langfristige Mitarbeit erwartet wird, sind solche Psychotherapie-Verfahren aufgrund mangelnder Motivation und mangelndem Durchhaltevermögen bei Kindern schwierig umzusetzen. Eine Anpassung solcher Psychotherapieverfahren auf internetbasierenden Plattformen bringt hierbei mehr Hoffnung bezüglich der Ausdauer.
So wird eine
Studie „Online Ticks“
über die zuerst beschriebene Methode durchgeführt. Beurteilt wird, ob eine Internetbasierende Plattform, die mit HRT-Verfahren arbeitet, dem Patienten eine Verbesserung erbringt. Geleitet wurde diese Studie von Prof. Dr. med. Kirsten R. Müller-Vahl (Medizinische Hochschule Hannover).
Zu dem 2. Verfahren (ERP) existiert bereits in englischer Sprache eine Internetplattform:
www.tictrainer.com. Diese ist sogar spielerisch gestaltet in Form von „Punkte sammeln“. Anfangs werden Punkte gesammelt, wenn der Patient es für kurze Zeit schafft, die Tics (= unwillkürliche Bewegungen) für unter Kontrolle zu haben. Im weiteren Verlauf
bietet man dann die Möglichkeit, Punkte schneller zu gewinnen, indem der Patient über längere Zeit „Ticks“ unter Kontrolle hält.
Eine tiefe Hirnstimulation, als letzte Lösung, kommt bei schwerst betroffenen, therapieresistenten, erwachsenen Patienten in Betracht.
Ersten Ergebnissen
zufolge führt die tiefe Hirnstimulation nicht nur zu einer Reduktion der Tics, sondern auch zur Besserung von psychischen komorbiden Störungen wie Angst, Zwänge und Depression. Dieses Verfahren wird seit 1999 zur Behandlung des Tourette-Syndroms eingesetzt, wobei aufgrund der Nebenwirkungen (am häufigsten Sprechstörung, Störung der Augenbewegung und des Ganges) die Entscheidung hierfür nicht vor der vollendeten 21. Lebensjahr getroffen werden sollte. Bis zu diesem Alter wird nämlich bei einer größeren Zahl der Betroffenen wurde eine Spontanheilung beobachtet.